Strafverteidigertag Rechtspolitik

So einen veröffentlicht man nicht

Im Strafverteidiger Forum (StraFo) ist eine Entscheidung veröffentlicht worden, die ein als Rechtsextremist bekannter Anwalt eingesandt hat. Jens Janssen hat die Redaktion darauf hingewiesen. Hier ist der Briefwechsel - mit Kommentar.

 

1. Ein Brief

an: StraFo
betr.: Veröffentlichungen von Entscheidungen von RA Dr. Maik B., Cottbus


Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

bei der Lektüre des Dezemberhefts des StraFo stelle ich fest, dass bei zwei Entscheidungen als Einsender auf Rechtsanwalt Dr. Maik B., Cottbus verwiesen wurde. Bei Herrn Dr. B. handelt es sich um einen Rechtsanwalt, der – seinerzeit noch Amtsrichter –, in den Medien als Neonazi bezeichnet wurde. Spiegel Online vom 20.10.2014 hatte die Frage aufgeworfen, wie es sein könne, dass ein Mann, der sich von Veteranen der Waffen-SS schulen ließ und Frontmann der Neonazi-Band »Hassgesang« war und der auch im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird, als Richter arbeitet. Einem Wikipedia-Eintrag ist zu entnehmen, dass es in Songs der Band »Hassgesang« heißt:

»Adolf Hitler, im Kampf für unser Land. Adolf Hitler, sein Werk verteufelt und verkannt. Adolf Hitler, du machst es uns vor. Adolf Hitler. Sieg Heil tönt es empor.«

Oder aber:

»Es ist bekannt in aller Welt, dass der Jude nicht viel von Arbeit hält. …Heilig sei allen Völkern Befehl, Atomraketen auf Israel.«

Maik B. quittierte sodann Medienberichten zufolge den Justizdienst, um seiner Entlassung zuvor zu kommen und promovierte bei Ralph Weber in Greifswald, der zwischenzeitlich für die AfD im Landtag sitzt. Einem Wikipedia Eintrag ist weiterhin zu entnehmen, dass die Direktorin der Greifswalder Universität über die Verleihung des Doktortitels an B. entsetzt gewesen sei, es habe aber keine Möglichkeit gegeben, die Verleihung der Doktorwürde zu verhindern.

Dies zu Ihrer Information.

Ich bin als Strafverteidiger der rechtsstaatlichen Ordnung verpflichtet, ich halte es in hohem Maße für problematisch, wenn Rechtsanwälten der Couleur von Rechtsanwalt B. ein Forum geboten wird. Ich bin mir darüber bewusst, dass die Auffassung vertreten werden kann, es ginge um die Entscheidung, nicht aber um den Einsender. Dann aber wäre die Namensnennung entbehrlich.

Ich habe bislang gelegentlich Entscheidungen nicht nur an den Strafverteidiger, sondern auch an StraFo übersandt mit der Anregung auf Veröffentlichung.

Meine persönliche Konsequenz wäre, dass ich künftig hiervon absehen würde, ich kann es mir nicht vorstellen, mit Rechtsanwälten aus dem Spektrum des Maik B. in einer Zeitschrift gemeinsam veröffentlichen zu wollen. ...

Ich bitte um Überprüfung, ob intendiert ist, die bisherige Praxis zu überdenken.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Jens Janssen

2. Eine Antwort

...
Wir verstehen die Kritik des Kollegen Janssen so, dass es ihm nicht um den Inhalt der veröffentlichten Entscheidungen geht, denn sie betrafen die für den Verteidiger und seinen Mandanten wichtige Frage der Auswechslung des Pflichtverteidigers während laufender Hauptverhandlung bzw. ohne wichtigen Grund und waren damit politisch völlig unverdächtig. Anlass der Kritik ist ausschließlich die Nennung des Einsenders, wobei uns der Kollege Janssen darauf hinweist, dass es sich um einen erklärten Neonazi, Rassisten und Antisemiten handle. Dessen Namen will der Kollege nicht in der StraFo lesen müssen, offensichtlich, weil er darin einen ersten Schritt hin zu einer zunächst nur fachlichen, im weiteren aber möglicherweise auch sonstigen Akzeptanz des Kollegen und seiner politischen Überzeugungen sieht. Der Kollege soll nicht die Möglichkeit haben, sich in einer Fachzeitschrift mit dem Mantel der Normalität und Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger zu umhüllen.

Grundsätzlich ist dem Kollegen Janssen zuzugeben, dass heute die stolzesten Bekenntnisse zum Recht der freien Meinungsäußerung von Nationalisten kommen, von Salafisten, Islamhassern und Chauvinisten – also von ungeheuer freiheitsliebenden Zeitgenossen, denen man die Verehrung der Freiheitsrechte nicht recht abnehmen mag. Ihre freie Rede ist daher ein Wagnis für den freiheitlichen Staat: Er lebt von Voraussetzungen, die er mit seinen Mitteln nicht garantieren kann (Böckenförde, sinngemäß). Die offene Gesellschaft lebt aber vom Streit der Meinungen. Den Gegner mundtot oder unsichtbar zu machen, löst keine Konflikte, sondern bringt uns den Feinden der Freiheit näher, als uns lieb sein kann.

Die Schriftleitung und die Redaktion des StrafverteidigerForums werden sich immer dafür einsetzen, dass die Zeitschrift im besten Sinne des Wortes ein Forum auch für den streitenden Meinungsaustausch bleibt, wobei klar ist, dass wir auf der Seite der Grundrechte, der Freiheitsrechte und dem Recht auf eine effektive Strafverteidigung stehen und uns nicht zum Sprachrohr der Feinde der Freiheit machen werden.

Was die Nennung der Einsender der im StraFo veröffentlichten Entscheidungen betrifft, werden wir auch unter Berücksichtigung der Argumente des Kollegen Janssen bei unserer Linie bleiben und die Einsender weder einer Überprüfung ihrer Gesinnung unterziehen noch in Einzelfällen auf deren namentliche Nennung verzichten.

Erstens, weil es auf den Entscheidungsinhalt (ob die Entscheidung für die Strafverteidigung von Interesse ist) ankommt und nicht auf den Einsender.

Zweitens, weil der Einsender nicht verfahrensbeteiligt sein muss; es darf auch eine Fundsache sein.

Drittens, weil wir die Einsender nicht in Einsender erster und zweiter Klasse einteilen wollen; auch Gefangene sehen ihre Beschlüsse zum Strafvollzug unabhängig davon abgedruckt, ob die Tat salonfähig war. Wo sollten wir außerdem bei den Einsendern der Entscheidungen mit unserer Namenszensur ansetzen? Bei Linksextremisten? Rechtsextremisten? Salafisten? Reichsbürgern?

Viertens, weil jede Grenzziehung willkürlich wäre: Welcher Verdachtsgrad wäre denn ausreichend? Die Offensichtlichkeit? Aus welchen Quellen sollten wir schöpfen? Wikipedia? Wäre dem Einsender erst einmal Gehör zu gewähren? Was könnte uns glauben machen, uns werde – anders als dem Gesetzgeber, nachdem ihm eine neue invasive Ermittlungsmethode eingefallen ist – die Ausnahme nicht auch im Lauf der Zeit zur Regel geraten?

Fünftens, weil die Namensnennung den Einsender schon angesichts des Leserkreises nicht mit dem Goldstaub öffentlicher Wahrnehmung überschüttet: Allenfalls fragen Kollegen nach Einzelheiten des Falles nach. Eine Werbeplattform ist die Namensnennung gewiss nicht, und Raum für weltanschauliche Profilierung bietet sie auch nicht.

Für die Redaktion des StrafverteidigerForums


Michael Rosenthal

3. Ein Kommentar

Nein, ich will nicht nachtreten. Die Position der Schriftleitung von StraFo zeugt von Haltung und sie ist - aus Sicht des Unterzeichners - respektabel.

Aber ist sie auch richtig? Es fällt einem angesichts der aktuellen Verwerfungen in der US-amerikanischen Gesellschaft zunehmend schwerer, lobende Worte über die USA auszusprechen. Und trotzdem: Große Amerikanische Konzerne haben sich längst entschieden, Rassisten, Neonazis und sonstigen Feinden eines demokratischen Diskurses kein Zuhause zu geben, Google, PayPal, Spotify, Airbnb und Apple wollen solche Zeitgenossen nicht in ihrem Kundenstamm. Strafo könnte anders, will aber nicht.

Es geht letztendlich darum, solchen Damen und Herren, mit denen man nicht an einem Tisch sitzen will, und die das aber unbedingt wollen, die Akzeptanz zu verweigern anstatt sie salonfähig zu machen.

Jens Janssen ist Strafverteidiger in Freiburg und Mitglied der Vereinigung Baden-Württembergischer Strafverteidiger.

Jens Janssen: So einen veröffentlicht man nicht, in: Freispruch, Heft 11, September 2017

Alle Rechte am Text liegen beim Autoren - Nachdruck und Weiterverbreitung nur mit Zustimmung der Autoren.